In jener Zeit kam Jesus in seine Heimatstadt; seine Jünger begleiteten ihn. Am Sabbat lehrte er in der Synagoge. Und die vielen Menschen, die ihm zuhörten, staunten und sagten: Woher hat er das alles? Was ist das für eine Weisheit, die ihm gegeben ist! Und was sind das für Wunder, die durch ihn geschehen! Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria und der Bruder von Jakobus, Joses, Judas und Simon? Leben nicht seine Schwestern hier unter uns? Und sie nahmen Anstoß an ihm und lehnten ihn ab. Da sagte Jesus zu ihnen: Nirgends hat ein Prophet so wenig Ansehen wie in seiner Heimat, bei seinen Verwandten und in seiner Familie. Und er konnte dort kein Wunder tun; nur einigen Kranken legte er die Hände auf und heilte sie. Und er wunderte sich über ihren Unglauben. Jesus zog durch die benachbarten Dörfer und lehrte.
"Den kenne ich Dich doch, der braucht mir überhaupt nichts mehr zu erzählen!" Mit solchen oder ähnlichen Sätzen fangen oft manche Gespräche an, die schon wieder zu Ende sind noch bevor sie begonnen haben. Liebe Freunde, nichts ist tödlicher für ein Gespräch oder eine Beziehung, als die feste Überzeugung, dass mein Gegenüber mir sowieso nichts Neues mitzuteilen hat. Jedes weitere Wort ist da schon überflüssig. Wenn ich von vorneherein weiß was der andere jetzt sagen will, dann ist es im Grunde ja völlig unnötig, überhaupt noch miteinander zu reden. Ich kenne ja sowieso schon alles von ihm! Gut, manchmal mag das ja auch tatsächlich so sein. Es gibt Menschen die sich so gut kennen, dass sie gar keine Worte mehr brauchen. Bei Ehepaaren, die seit vielen Jahrzehnten verheiratet sind, kommt so etwas leicht vor, viele verstehen sich wortlos, weil sie sich tatsächlich so gut kennen. Aber ich denke, das ist dann doch die Ausnahme. Ich wüsste nicht, dass ich sonst auch nur einen einzigen Menschen auf diese Art und Weise kennen würde. Und trotzdem kommt auch mir dieser Satz immer wieder so furchtbar schnell über die Lippen: Den kenne ich doch, der braucht mir gar nichts zu erzählen! Jesus selbst hat genau das gleiche am eigenen Leib erfahren. Als er nach einiger Zeit wieder nach Hause kam, hat er genau diese Sätze von den Menschen in Nazaret gehört: "Was will denn der? Das ist doch nur der Sohn des Zimmermanns. Seine Familie kennen wir doch auch! Was will der uns schon zeigen!" Jesus war zuhause auf eine Rolle festgelegt. Die Menschen hatten ihn so tief in eine Schubladen gesteckt, dass es kaum noch eine Möglichkeit gab da herauszukommen. "Wir kennen den doch, das ist doch nur der Sohn des Zimmermanns!" Offensichtlich ist das eine Gefahr, in der wir Menschen ganz schnell stehen: Wir stecken andere in Schubladen! Das ist Jesus in Nazaret so ergangen, und es geschieht überall wo Menschen zusammenleben: in jedem Verein, in jeder Stadt und viel zu oft wahrscheinlich auch in Ehe und Partnerschaften. Das Gefühl, genau zu wissen wer und wie der andere so ist, begegnet uns überall. Und das erschwert den Menschen fast überall sich zu verändern und neu zu werden. Wo aber Menschen daran gehindert werden sich zu entfalten, wo Menschen fest in Rollen einzementiert werden, dort werden sie letztlich daran gehindert wirklich zu leben. Denn genau das ist doch Leben! Leben, das ist Entfaltung, das ist Bewegung. Leben, das ist Veränderung, das ist auf Wachstum hin angelegt. Eine Blume etwa, die wächst, die verändert sich, die ist jeden Tag neu, die ist schon morgen wieder eine andere als die, die ich gestern kennen gelernt habe. Sie zu konservieren, am Ändern zu hindern, ihr Wachstum zu beschneiden, das hieße: sie töten. Und genauso wird überall dort, wo Menschen daran gehindert werden, sich wirklich zu entfalten etwas getötet. Etwas stirbt am Ende immer ab. In Nazaret etwa starb die Beziehung, die Jesus zu seiner Heimat hatte. Zwischen ihm und den Menschen in seiner Heimat konnte sich nichts mehr ereignen. Das war vorbei. Wir haben es gehört: Er konnte dort keine Wunder mehr tun. Eine solche Ablehnung der Menschen hat keine guten Folgen. Nicht einmal Jesus – der Gottessohn kann Wunder tun an jenen, die ihm nicht glauben. Das ist keine Strafe, sondern eine normale Konsequenz des Unglaubens. Wenn ich mein Herz vor Gott verschlossen halte, kann ich nicht einmal mehr von Gott gerettet werden. Denn die so genannte Allmacht Gottes ist die Liebe – und diese Liebe ist angesichts von Trotz und Herzenshärte ohnmächtig. Auch die Allmacht Gottes, seine ganze Liebe scheitert an den Grenzen unserer menschlicher Freiheit. Gott zwingt nicht – Gott zwingt niemand. Unsere Freiheit vor Gott ist groß, so groß wie Gottes Respekt vor dieser Freiheit. Gott lässt uns immer unsere freien Willen. Deshalb sind wir immer aufgefordert, aufmerksam und wach für Gottes Wort und Wirklichkeit zu sein, damit er unsere Herzen verwandeln kann.