In jenen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa. Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet. Als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib. Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ. Da sagte Maria: Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter. Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig. Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten. Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen. Er nimmt sich seines Knechtes Israel an und denkt an sein Erbarmen, das er unsern Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig. Und Maria blieb etwa drei Monate bei ihr; dann kehrte sie nach Hause zurück.
Für mich unvergesslich bleibt ein Besuch der Al Aksa Moschee und der Klagemauer in Jerusalem vor vielen Jahren. Das beeindruckende war und ist für mich, das Beobachten der betenden Moslems und betender Juden. Zuerst war ich überrascht und irritiert, wie die da Menschen Körper- oder Turnübungen an solchen ehrfurchtgebietenden Orten absolvieren. Aber als ich etwas genauer hinsah, bemerkte ich: Die betet ja mit Leib und Seele. Eine Art des Gebetes, wie ich es vorher nie gesehen hatte. Heute feiern wir das Glaubensgeheimnis, dass Maria mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen worden ist. Ein Fest, das trotz einer tiefen Verankerung in der Tradition des Christentums die meisten Menschen - auch die gläubigen - mit seinem Inhalt überfordert. Schwierig für die einen, weil mit diesem Fest behauptet wird, das menschliche Leben hat mit dem Tod doch kein Ende. Obendrein verleitet das Osterfest viele Menschen dazu, den Glauben an die Auferstehung - in der nicht mehr fassbaren Geschichte Jesu - vergessen zu lassen. Ganz einfacher gesagt: Es ist etwas Großartiges, was uns da in den biblischen Geschichten überliefert wird. Aber was da wirklich war, und welche Bedeutung dies für uns Menschen hat, lässt sich nicht so genau sagen. Ein Geheimnis des Glaubens im Sinne "das werden wir nie genau feststellen können". Das heutige Fest behauptet da aber etwas Konkreteres: An der Mutter Jesu hat Gott gezeigt, was er mit uns Menschen vorhat. Er hat Maria mit Leib und Seele zu sich geholt.– Wie das möglich ist? Wie das geschehen sein soll? Ich möchte darauf nur mit den Worten des Engels Gabriel antworten: "Für Gott ist nichts unmöglich". Wenn ich die Schöpfung betrachte und beginne, über ihre Geheimnisse nachzudenken, ihre Fülle und ihren Einfallsreichtum, dann denke ich mir: Wenn Gott das alles geschaffen hat, warum soll er uns nicht auch ein neues Leben geben können? Schwierig ist das Fest aber auch noch in einem anderen Sinn: Mit dem Gedanken eines Weiterlebens nach dem Tod kann sich manch einer anfreunden. Weiterleben in der nachfolgenden Generation, im Gedächtnis der Menschen, im Sinne einer Wiedergeburt oder einer Seelenwanderung usw. Dieses Fest aber behauptet, Gott hat Maria nicht nur geistiger weise, sondern mit Leib und Seele zu sich geholt. Was vielen - vielleicht gerade auch frommen - Christen dabei wenig bewusst ist: In diesem Fest kommt die Wertschätzung Gottes für die leibliche Seite des Menschen zum Ausdruck. In der langen Geschichte des Christentums hat sich der Leib des Menschen oft wenig großer Wertschätzung erfreut. Er ist zeitweise als "Kerker der Seele" bezeichnet oder mit einem Lastesel verglichen worden, den wir eben brauchen, um das Kostbarste, nämlich unsere Seele, zu transportieren. Aber Gott hat den Menschen eben nicht nur als Geistwesen erschaffen, sondern mit Leib und Seele. Nur wenige Generationen von Christen, etwa in der Renaissance, wussten die Schönheit des Menschen, die sich in seinem Leib ausdrückt, zu schätzen. Heute noch sind manche biedere Christen entsetzt, wenn sie Menschen beobachten, die ihren Körper und ihre Schönheit in besonderer Weise pflegen und zur Schau stellen. Sie sehen darin gleich einen Verfall der Sitten und machen sich Sorgen um die Zukunft der Menschheit. Manchmal habe ich den Eindruck, dass der Kult um einen schönen Körper mit allem, was dazugehört, wie Fitness, Mode usw. heute auch eine Gegenbewegung gegen eine lange Tradition der Abwertung des Leibes im Christentum zu tun hat, die nicht im Sinne des "Erfinders" ist, wie das Fest der Aufnahme Mariens zeigt. Ich sehe im Fest Mariä Himmelfahrt einen Anstoß, Gott von ganzem Herzen zu danken, dass er uns nicht nur als Geistwesen geschaffen hat, dass er nicht nur an unsere Seele gedacht hat. Danken für die Schönheit, die Freude am Körper und alle Lebenslust, die darin zum Ausdruck kommt.