Predigt

 

 

 

 

Herr wärest du hier gewesen

Beerdigung

 

 

 

 

Evangelium: Joh 11, 21-27

In jener Zeit sagte Marta, die Schwester des Lazarus, zu Jesus: Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben. Aber auch jetzt weiß ich: Alles, worum du Gott bittest, wird Gott dir geben. Jesus sagte zu ihr: Dein Bruder wird auferstehen. Marta sagte zu ihm: Ich weiß, dass er auferstehen wird bei der Auferstehung am Jüngsten Tag. Jesus sagte zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben. Glaubst du das? Marta sagte zu ihm: Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll.


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Gedanken zum Evangelium

Herr, wärest du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben… oder anders gesagt: warum warst du nicht da, als es zum Schlimmsten kam? … Warum lässt du so etwas überhaupt zu? Völlig verständliche und auch selbst durchlebte Gedanken, wenn wir großes Leid erfahren, oder wenn wir von einem geliebten Menschen Abschied nehmen müssen, denn die Lücke, die dadurch entsteht, ist erbarmungslos groß! Liebe Vroni, liebe Angehörige geschätzte Trauernde, Schwestern und Brüder im Glauben an Christus, heute nehmen wir Abschied von N., deinem Mann, eurem Vater und unserem Mitbruder. Wir wollen ihm in dieser Feier noch einmal ein Zeichen unserer Liebe und Verbundenheit, unserer Wertschätzung und Dankbarkeit schenken. N.ist auch jetzt in unserer Mitte, wir sehen sein Gesicht, sein Lachen, wie er noch gesund war. Wir versuchen seine Stimme zu hören, Worte zu hören, die er uns gesagt hat. Wir denken daran, was er uns bedeutet hat, was wir an ihm geschätzt haben, wofür wir ihm danken und was wir ihm zu verdanken haben. Gewiss, nach unseren menschlichen Maßstäben musste N. leider viel zu früh gehen und er wird uns allen fehlen. Wir fühlen mit Euch, wir nehmen Anteil an Eurer Trauer. Auch Jesus ist bei uns und will uns trösten, wenn er zu uns sagt: "weint nicht, denn euer Bruder wird auferstehen – und Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt wir leben auch wenn er stirbt." Leben auch wenn man stirbt???
Vor kurzem, habe ich eine nette kleine Geschichte, die aus Schweden stammt gelesen, die uns vielleicht ein wenig helfen kann, diese Worte, die Jesus heute zu uns spricht zu verstehen. Es war vor vielen Jahren - an einem wunderschönen Sommertag. Die Natur schlief und schwieg. Mäuschenstille ringsum. Sogar die Vögel steckten ihre Köpfe ins Gefieder. Nur ein kleiner Buchfink schaute neugierig in den blauen Himmel und fragte: Was ist Leben? Alle die das hörten waren betroffen über diese Frage. Eine Rose entfaltete ihre Blüten, schob sachte und behutsam ein Blatt ums andere heraus und sagte schließlich: Leben ist Entwicklung! Das hörte ein Schmetterling. Lustig flog er von Blume zu Blume, naschte hier und dort und sagte dann: Leben ist Freude und Sonnenschein! Eine kleine Ameise, die sich mit einem Strohhalm abrackerte, der zwanzigmal länger als sie selbst war, murmelte nur: Leben ist Arbeit, Mühe und Plage! Eine Biene hörte das und meinte: Leben? Das ist manchmal Arbeit, manchmal Vergnügen. Leben ist Abwechslung! Jetzt streckte der Maulwurf seinen Kopf aus der Erde und sagte: Leben ist ein dauernder Kampf im Dunkeln! Eine Elster spottete neidisch: Was ihr alle für weisen Reden führt! Man kann nur staunen, mit welch gescheiten Köpfen man es zu tun hat. Die Tiere senkten traurig ihre Köpfe. Sie fingen an, an ihren eigenen Lebenserfahrungen zu zweifeln. Als dann ein leiser Sprühregen einsetzte, verstummten die Tiere und Pflanzen ganz. Nur der Regen plätscherte vielsagend: Leben ist Tränen vergießen! Die Regentropfen sammelten sich in kleine Rinnsale, die begaben sich auf die Wanderschaft, gelangten in den Bach, dann zum Fluss und kamen nach Wochen ins Meer. Dort brandeten die Wogen und warfen sich mit Gewalt gegen den Felsen und mit gebrochener Kraft kehrten sie ins Meer zurück. Stöhnend hörte man sie sagen: Leben ist ein vergebliches Ringen nach Freiheit! Das hörte ein Adler, der hoch oben in den Lüften seine Kreise zog. Und er sagte: Leben ist ein Streben nach oben, nach etwas Höherem! Eine Weide, vom Sturm gebeugt, lächelte vielsagend: Leben gebietet, dass man sich einordnet, dass man sich unterordnet, dass man sich beugt, wenn schwere Lasten auf einen zukommen! Jetzt wurde es ganz still im Wald und die Nacht brach herein. Ein Lehrer, nicht weit entfernt, in seiner Wohnung der Schulhefte korrigierte, meinte: Leben ist eine lebenslange Schule, ein ständiges Lernen! Draußen wehte ein leichter Wind. Säuselnd hört man ihn sagen: Leben ist ein Rätsel. Niemand weiß, wohin es uns weht! Und als dann die Morgenröte wieder einen neuen Tag ankündigte, sagte sie voll Freude: Leben ist schön. Es ist wunderbar! Es ist Aufbruch zum ewigen Leben! Was ist Leben?
Diesen Antworten, die wir in dieser Geschichte gehört haben, können wir sicher alle zustimmen. Ja, das Leben ist oft Arbeit und Mühe, manchmal Freude und Vergnügen, manchmal Kampf und Streben, oft auch Lernen und Entwicklung. Allen diesen Antworten möchte ich aber eine weitere Antwort hinzufügen: Leben ist Gottes Geschenk, von Anfang an von Gott gewollt und geliebt, durch die ganze Lebenszeit auf Erden von Gottes liebender Nähe und Zuwendung begleitet, und am Ende der irdischen Lebenszeit von Gott neu geschenkt und verwandelt in unvergängliches, vollendetes Leben.
N. hat sich gestärkt durch das Sakrament der Krankensalbung auf den Weg gemacht. Der Barmherzige Gott hat ihm durch die Worte des Priesters die Vergebung der Sünden zugesagt und ihn von aller Last befreit. So können wir überzeugt sein, N. ist am Ziel seiner Reise angekommen. N. lebt jetzt dort, wo Gott selber alle seine Sehnsüchte für immer stillt und erfüllt. Ihm fehlt jetzt nichts mehr. Nehmt jetzt euren Mann und Vater noch einmal ganz fest in euer Herz. Dankt ihm für alles Gute, das er euch geschenkt hat. Tragt ihm nicht nach, was er an euch gefehlt hat. Lasst ihn gehen in vollem Frieden und ganz ausgesöhnt. Legt ihn in Gottes Hände und vertraut darauf, dass er bei Gott gut aufgehoben ist und sagt ihm: Wir haben dich lieb gehabt, und wir werden auch jetzt nicht aufhören, dich lieb zu haben. Denn der Abschied von N. ist kein Abschied für immer, sondern nur vorübergehend. Es gibt ein Wiedersehen, wenn auch wir einmal dort ankommen, wo er auf uns wartet.

 

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